Beitragsseiten

Das Mehlmann/Mellemann - Epitaphbild (32)

ist ein weiterer Beleg für reformatorische Malerei in Berlin.
Im Katalog Grabmalskunst wird auf „das von Michael Ribestein 1562 für Simon Mehlmann gefertigte Epitaphgemälde in der Marienkirche“ hingewiesen (33). Die Bemerkung „für Simon Mehlmann“ darf nicht so verstanden werden als sei Simon Mehlmann zur Zeit der Stiftung bereits verstorben gewesen. Viele Stifter geben zu ihren Lebzeiten Epitaphe in Auftrag. Das Todesdatum von Simon Mellemann wird sehr ungenau überliefert. Müller/Küster geben als Jahreszahl einmal 1575 und zugleich 1572 an. Sie sind also nicht sicher! (34). Borrmann setzt den Tod von Mehlmann 1562 an (35). Aber die Angaben sind falsch. Simon Mehlmann stirbt erst 1588. Dies geht aus seiner Leichenpredigt(36) und aus einer Inschrift, die Pusthius in den Vermischten Schriften überliefert, hervor: „...anno C. 1588 die 19.April vocationem nactus; anno568 natus. Hic quiesco cum uxore... Eva Tracigeriana...anno Christi 1560 die 6. Nov. defuncta“ (37). Auch geht aus der Inschrift hervor, dass er mit Eva Traciger verheiratet gewesen ist. Er könnte das Bild nach dem Tod seiner Frau Eva Tracigerin (Drahtzieher) zu seinen Lebzeiten in Auftrag gegeben haben. Vermutlich hat er sich und seinen früh verstorbenen Sohn Christoph, der eine Klapper in der Hand hält, darstellen lassen. Ist etwa die Darstellung von Adam und Eva eine Anspielung auf den Namen seiner Frau Eva. Auf alle Fälle ist Mehlmann noch in den besten Jahren. Er ist 42 Jahre alt, als seine Frau und sein Sohn Christoph begraben werden. Für seine Frau Eva hielt die Predigt der Propst von St. Nikolai Buchholtzer (38). Mehlmann selbst ist 1520 in Lentz/Lenzen in der Prignitz geboren, wo sein Bruder Heine Bürgermeister war. Er hatte einen weiteren Bruder Johannes, der kurfürstlicher Amtschreiber in Lebus war. Simon M. ist in Saltzwedel und Magdeburg zur Schule gegangen und hat in Leipzig Rechtswissenschaften studiert. In Frankfurt/Oder publizierte er seine „propositiones“. Er studierte und lehrte auch an der Universität in Ingolstadt und war später kurfürstlich - brandenburgischer Rat und der „Merckischen stedt syndicus“. Geheiratet hat er 1551 am Sonntag Misericordias Domini Eva Drahtzieher, die einer Nürnberger Familie entstammte. Ihr Vater war Conrad Tratziger, ihr Großvater war Rechtsgelehrter in Nürnberg. Mit Tochter und erster Frau ist er bereits 1558 im Riedel erwähnt. Er kauft im Jahr 1578 für 2681 Gulden zwei Teile von Pankow aus dem Besitz des Rates von Spandau (39). Zwei Söhne und eine Tochter hatte er, von denen sein Sohn Christoph früh verstarb, wie der Leichenpredigt für seine Frau Eva zu entnehmen ist (40). Ebenfalls wird in den Vermischten Schriften notiert:“ Seine andere Hausfrau ist gewesen Catharina Holtorffin.“ (41).
Das Bild stammt ursprünglich aus der Nikolaikirche. Es zeigt „Christi Höllenfahrt“ und wird Michael Ribestein zugeschrieben, trägt aber nicht sein Monogramm. Im Vergleich mit dem Tempelhofepitaph sind schon einige Aspekte benannt worden. Sehr interessant ist die Darstellung Adams und Evas mit je einer Hälfte der Paradiesesfrucht in der Hand. Danach entsteigt das Kind mit der Klapper, dann vermutlich der betende Stifter dem Höllenrachen.
Das im Tempelhofepitaph in der Nähe des Erzengels auf der Seite der Erlösten befindliche Kind mit einem Steckenpferd ist schon ein beeindruckendes Pendant, was die Spielzeugdarstellung anbetrifft.
Die Datierung des Bildes wird für das Jahr 1562 benannt. Das ist denkbar. Die Inschriften auf dem Bild geben den Luthertext wieder. Im Heiligenschein Christi steht: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden“ und im offenen Höllenrachentor das Wort: “Der Tod ist verschlungen in den Sieg; Tod, wo ist dein Stachel. Hölle wo ist dein Sieg“. Im Bild antwortet der Tod auf diese Frage mit dem Hinweis auf den angehobenen zerbrochenen Stachel. Ein geplatzter Geldsack mit einem Buch erinnert daran, dass der Gläubige sich auch mit viel Geld nicht freikaufen kann, wenn er dem Wort nicht vertraut. Also auch hier Reformation pur.
In einer Leichenpredigt für seinen Bruder Heine Mehlmann(Mellemann), Bürgermeister von Lenzen(Elbe), der 1584 starb, ist Simon Mehlmann 1588 mit einem weiteren Bruder als Rechtsgelehrter genannt und ihnen ist die Leichenpredigt zugesandt (42).
Das Todesdatum seiner ersten Frau Eva Tracigeriana ist, wie in oben genannter Inschrift mit dem 6.Nov. 1560 angegeben. Zwei Jahre später wird das Bild gemalt. Der Tod seiner zweiten Frau Catharina Holtzendorf wird für das Jahr 1562 verzeichnet (43). Mellemann hätte in kürzester Zeit zwei Frauen und seinen Sohn verloren. Dies war sicher ein Anlaß für das Epitaph. Aber warum liest man in seiner Leichenpredigt über Catharina Holtzendorf kein Wort (44)? Auftraggeber für das Bild dürfte Mehlmann selber sein. Die Mehlmann-Inschrift gibt an, dass er mit seiner Frau Eva T. hier ruhe. Die Nikolaikirche ist vorauszusetzen. Also ist die Inschrift nach 1588 hinzugefügt. Das Todesdatum der Stifterpersönlichkeit steht bisher immer in einer gewissen Nähe zur Bildentstehung. Dies ist hier nicht der Fall.
 
Wir haben es hier also mit einem Epitaph zu tun, der auch später seine Bedeutung behielt und von Sohn Albert Friedrich Mehlmann und Tochter Katharina (45) mit einer Inschrifttafel versehen wurde, auf der das Todesdatum und die Ruhestätte vermerkt wurden.
 
Hier bestätigt sich, dass in Kirchen Epitaphbild und Grabstätte zusammen gehören können.
 
Der Vergleich mit den Bildern in Werben (Goldbeck) und Berlin (Tempelhof/Mehlmann) macht eine Verbindung sehr deutlich. Diese Bilder zählen zu den bedeutenden reformatorischen Bildepitaphien des 16. Jahrhunderts.
Mellemann war im kaiserlichen Tross während des Krieges mit den Sachsen. Dies war noch vor seiner Eheschließung mit Eva Drahtzieher. Um 1547/48 könnte er dort Ribestein begegnet sein, der sich ebenfalls im kaiserlichen Lager aufhielt (46).
Die Zuschreibung an Ribestein hätte so auch ihren historischen Anknüpfungspunkt. Weitere schöne Beispiele reformatorischer Malerei hat Frau Prof. Gerlinde Stromeier – Wiederanders herausgearbeitet (47). Ein sehr deutliches reformatorisches Bild ist das Weinbergsbild mit dem evangelischen Weinberg und dem katholischen ziemlich verrotteten Weinberg. Auch das 16. Jahrhundert hat also in Berlin Bildwerke, die ihre Zeit einbeziehen, hervorgebracht. Im 17. Jahrhundert werden dann Grabmale bestimmend. Sie sind bereits entsprechend aufgearbeitet und Ergebnisse liegen in Buchform vor. Berlin hat also im 15. und 16.Jahrhundert eine sehr reiche Tafelbildmalerei und von „schwarzen Löchern“ kann in der Berliner Malerei für diese Zeit auch nicht gesprochen werden.
Go to top
Template by JoomlaShine